Bereits Tage vor dem Transport werden die Münchner Leopold-Stechrochen auf ihre Reise vorbereitet. „Damit die Tiere keinen Stress haben, werden sie schon frühzeitig an die Dunkelheit der Transportboxen gewöhnt“, erklärt Frank Müller, zuständiger Kurator für das Aquarium im Tierpark Hellabrunn. Die Transportboxen sind mit reinem Sauerstoff und Wasser gefüllt, sodass die Fische dort bis zu 24 Stunden bleiben könnten. „Aus München sind bereits Leopold-Stechrochen unter anderem nach Osnabrück, Zaragoza, und Bern gereist, und die Tiere haben den Transport immer sehr gut und entspannt überstanden“, so Frank Müller weiter.
Insgesamt gibt es derzeit 15 Leopold-Stechrochen im Tierpark Hellabrunn, davon sind jedoch die meisten Tiere hinter den Kulissen untergebracht. Die kreisrunden, schwarzen Rochen mit weißen Punkten sind ursprünglich im südamerikanischen Fluss Rio Xingu beheimatet. Der Leopold-Stechrochen ist eine sogenannte endemische Art: Er kommt ausschließlich in einem kleinen, abgegrenzten Verbreitungsgebiet in Brasilien vor. Rochen gehören zu den Knorpelfischen. Ausgewachsene Leopold-Stechrochen können einen Durchmesser von 60 Zentimetern erreichen und haben einen mit Widerhaken versehenen Stachel. Bei Bedrohung schwingt der Rochen seinen Schwanz wie eine Peitsche, um den mit giftigem Gewebe überzogenen Stachel möglichst tief in das Fleisch des Gegners zu stoßen. Wie alle Süßwasser-Stechrochen ist auch der Leopold-Stechrochen lebendgebärend – nach der Geburt sind die jungen Rochen direkt auf sich gestellt, das Weibchen betreibt keine Brutpflege.
Zwar hat der Leopold-Stechrochen noch keinen Gefährdungsstatus auf der Roten Liste bedrohter Arten der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources), dennoch wurde Aquarium-Kurator Frank Müller von der EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) beauftragt, die außergewöhnlichen Rochen zu monitoren. „Das Monitoring ist eine Vorstufe des Europäischen Zuchtbuches und dient dazu, einen Überblick über den Bestand und die Nachzuchten in europäischen Zoos und Aquarien zu behalten“, erklärt Frank Müller. Er führt weiter aus: „Das Monitoring ist schon jetzt sehr erfolgreich – wir hoffen, dass daraus mittelfristig ein Zuchtbuch entsteht.“
Neben dem Monitoring, welches lediglich der Auflistung aller gehaltenen Tiere einer Art in europäischen Zoos dient, gibt es im Verbund der EAZA noch das Europäische Zuchtbuch (ESB) und das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP). Während bei letzterem die Erhaltung der genetischen Vielfalt einzelner Tierarten Priorität hat und dementsprechend Zuchtpaare mit bindenden Empfehlungen des Koordinators vermittelt werden, spricht der Koordinator eines Zuchtbuches lediglich Transport- und Zuchtempfehlungen aus, die nicht verpflichtend sind. Alle Tiere in einem Zuchtbuch bekommen eine lebenslang gültige Zuchtbuchnummer. Zudem werden möglichst alle für das Zuchtbuch relevanten Daten wie Geschlecht, Alter, Eltern und Nachkommen erfasst. Während anfangs vor allem Säugetiere und Vögel in Zuchtbüchern geführt wurden, kommen inzwischen immer mehr Reptilien-, Amphibien- und Fischarten hinzu. Inzwischen sind fast alle in deutschen Zoos gehaltenen Tiere bereits in menschlicher Obhut gezüchtet. Das Ziel der Zoogemeinschaft ist, möglichst bei allen Arten selbsterhaltende Zoopopulationen durch eine koordinierte Zusammenarbeit zu schaffen.
Neben dem Monitoring des Leopold-Stechrochens übernimmt der Tierpark Hellabrunn zudem als Koodinator des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) sowie Führer des Internationalen Zuchtbuchs (ISB) für den Drill eine besondere Verantwortung für die Zoo-Population dieser hoch bedrohten westafrikanischen Affenart. Insgesamt ist Hellabrunn an 27 Zuchtbüchern (ESB) und 35 Erhaltungszuchtprogrammen (EEP) beteiligt.